Tibor Csernus - Zwischen Mythos und Realität

29.01.2005 bis 22.05.2005

Vom 29. Januar bis 22. Mai 2005 präsentierte das Panorama Museum Bad Frankenhausen die Ausstellung „Tibor Csernus – Zwischen Mythos und Realität“. Mit 65 meist großformatigen Arbeiten aus der Zeit von 1971 bis heute bot sie einen Einblick in mehr als dreißig Schaffensjahre eines Meisters, der sich selbst als »figurativen Realisten« versteht, bei aller Affinität zur Moderne.

Tibor Csernus (Jahrgang 1927) ist gebürtiger Ungar und Absolvent der Budapester Akademie, doch lebt und arbeitet seit 1964 in Paris, wo er sein Atelier in dem berühmten »Bateau-Lavoir« der Pariser Avantgarde auf dem Montmartre hat. Früh schon erregte er Aufsehen durch sein Bestreben, die gegenständliche Formwelt eines expressiv-sensualis- tischen Postimpressionismus mit abstrakten Gestaltungsweisen zu verbinden. Kaum Dreißig, wurde er zum Begründer eines als »Surnaturalismus« bezeichneten Stils, der im Ungarn der späten Fünfziger schnell Schule machte, den Maler jedoch bald auch in Konflikt mit der offiziellen Kunstdoktrin brachte. Nach seiner Übersiedlung an die Seine wandte er sich um 1970 zunächst einer quasifotografischen Wirklichkeitsschilderung im Sinne des Hyperrealismus zu, die Ende der Siebziger dann zu jenem fein nuancierten, altmeisterlichen »Caravaggismus« führte, für den Csernus so bekannt geworden ist.

Frappierend ist die absolute Souveränität in der Beherrschung der Form, speziell der menschlichen Figur. Alle nur denkbaren Haltungen, Drehungen und Verkürzungen werden spielend bewältigt und in den Dienst einer alles durchwaltenden Gruppenästhetik gesetzt, die im Bemühen um dramatisch gesteigerte Erzählzusammenhänge seit den achtziger Jahren entschieden die gesamte Dramaturgie der Kompositionen bestimmt. Biblische und mythologische Themen werden dabei ebenso zum Ausgangspunkt der Gestaltung wie kunsthistorische oder literarische Vorlagen, Alltagsbeobachtungen, persönliche Reflexionen und Erinnerungen. All dies liefert ihm den Stoff, das Drama der Wirklichkeit in archetypische Szenen zu fassen, die ihm gestatten, sein kritisch-humanis- tisches Anliegen im Bilde des meist nackten menschlichen Körpers greifbar zu machen. Der zugrunde liegende Mythos wird dabei unversehens in die Realität sinnlicher Erfahrungen versetzt.

In den Bildern der jüngsten Zeit schließlich manifestiert sich ein furioses Alterswerk, das sich von den Fesseln der Tradition scheinbar völlig gelöst hat, ohne auch nur im Ansatz auf Atmosphäre und Glaubhaftigkeit in der Realitätswiedergabe, auf Lebensnähe und Individualität in der Gestaltung zu verzichten. Tibor Csernus, der Chevalier des Arts et Lettres (1986) und Kossuth-Preis-Träger des Jahres 1997, hat seine Kunst über ein halbes Jahrhundert zu einem malerischen Crescendo gesteigert, das in der Verschmelzung von Tradition und Zeitgenossenschaft ein wahrhaft neues, vitales Realismuskonzept verkörpert, das zwar vielfache Wandlungen durchlaufen hat, letztlich aber stets das ewig gleiche theatrum humanum der Wirklichkeit meint.

Zurück