Im Licht der Wirklichkeit - Zeitgenössischer Realismus in Spanien

16.06.2007 bis 23.09.2007

Erstmals in Deutschland wird seit mehr als einem Vierteljahrhundert (im Ostteil des Landes sogar zum ersten Mal überhaupt) mit dieser umfassenden Exposition der Versuch unternommen, einige der wesentlichsten Positionen des zeitgenössischen Realismus in Spanien anhand von mehr als 80 ausgewählten Werken aus den letzten zwei Jahrzehnten dem Publikum vorzustellen. Präsentiert werden ausschließlich Malereien und eine erlesene Gruppe von Zeichnungen von insgesamt 19 Künstlern aus drei Generationen, wobei Madrid (unter Einschluss von Chinchón) und Barcelona als die beiden bis heute wichtigsten Zentren des spanischen Realismus im Fokus der Betrachtung stehen. Individuelle Leistungen, die keiner der beiden Gruppierungen zuzuordnen sind, ergänzen die Phalanx der Meister, die heute die vielleicht wichtigste „Schule“ gegenständlicher Malerei in Europa verkörpern, eine „Schule“, die inzwischen selbst schon als historisch zu betrachten ist: El Realismo Español Contemporáneo.

Kennzeichen dieses Realismus sind Traditionsgebundenheit, vollendete Ausführung, also die vollkommene Beherrschung der Mittel, atmosphärische Dichte und existentielle menschliche Befindlichkeit, die aus den Bildern spricht, vor allem aber engste Bindung an das Sichtbare der Wirklichkeit, gegründet auf ein intensives Naturstudium als Basis wie entscheidendem Wertmaßstab aller Kunstarbeit, und eine dezidierte, kritisch reflektierende Zeitgenossenschaft jenseits aller propagandistischen Rhetorik. Im Kern ist diese Kunst als ein sensualistischer Realismus des Alltäglichen zu fassen, inhaltlich wie formal. Entsprechend unprätentiös sind die Motive und Sujets dieser Bilder: Stillleben, Atelierszenen, Interieurs, menschliche Figuren und – vor allem – die von Menschenhand geformte und doch zumeist menschenleere urbane Landschaft. Alles Narrative tritt hinter die ästhetische Reflexion der Wahrnehmung zurück. Die künstlerische Sicht sublimiert das Gesehene, das sich in Farbe, Licht und Form dank der Fantasie des Malers zu einer neuen Wirklichkeit verdichtet. Keine andere kunstgeografische Region hat wohl in den letzten 30 Jahren eine solche Dichte an Qualität und Entschiedenheit realistischer Gestaltung hervorgebracht und in Fortsetzung ihrer Tradition auch international behaupten können wie Spanien. Bei aller prinzipiellen stilistischen Übereinkunft dieser Kunst gilt es gleichermaßen aber auch, ihre enorme Individualität und Vielfalt wahrzunehmen. Ziel der Präsentation ist es daher nicht nur, Hauptmeister des spanischen Realismus der Gegenwart vorzustellen, sondern zugleich auch die Eigenart jedes Einzelnen im Kontext der nationalen Traditionen herauszuarbeiten und so den besonderen Stellenwert dieser Kunst in der Malerei der Gegenwart anschaulich vor Augen zu führen.

Aufgrund der enormen Fülle des Materials allein auf dem Gebiet der Malerei ist die Auswahl der vorgestellten Exponate weitgehend auf diese begrenzt. Exemplarisch wurden lediglich einige wenige Zeichnungen in die Schau einbezogen, wenn es für die Darstellung erforderlich schien, so etwa, um den besonderen Stellenwert dieses Mediums im Einzelfall entsprechend berücksichtigen zu können. Grafik und Skulptur bleiben indes ebenso ausgespart wie die verschiedenen Ausprägungen einer zwar gegenständlich bestimmten, doch in ihrem Wesen primär magisch-fantastischen Kunstauffassung, die in Spanien nicht minder Herausragendes hervorgebracht hat und Gegenstand eines eigenen Ausstellungsprojektes sein wird.

Amalia Avia, Cristian Avilés, DAO (Daniel Aguirre-Aceval), Alejandro Decinti, Carlos Díaz, César Galicia, Clara Gangutia, Jesús Ibáñez, Antonio López, Luis Marsans, María Moreno, Pedro Moreno Meyerhoff, Guillermo Muñoz Vera, Alejandro Quincoces, Isabel Quintanilla, Josep Roca-Sastre, Josep Santilari, Pere Santilari, Julio Vaquero

Das Begleitbuch zur Ausstellung bietet neben einem umfangreichen Bildteil, biografischen Informationen und einer ausführlichen Dokumentation auch eine umfassende Einführung in das Thema, verfasst von Michael Nungesser, einem ausgewiesenen Kenner der spanischen Kunst speziell auf dem Gebiet der zeitgenössischen Malerei.

Amalia Avia
Eingang zu einem Markt, 1988
Cristian Avilés
Chinchón vom Fenster aus, 2002
Dao (Daniel Aguirre-Aceval)
Das große Mädchen, 2005-07
Alejandro Decinti
Wandschrank, Schlüssel und Quitten, 2006
Carlos Díaz
Niemandsland II, 2003
César Galicia
Der Boxer, 1988
Clara Gangutia
Die Pappelpflanzung. 2003
Jesús Ibáñez
Gitterzaun des Museo de Artes
Antonio López García
Das Abendessen, 1971-80
Luis Marsans
La Salute V, 1991
María Moreno
Garten in Poniente, 2003-05
Pedro Moreno Meyerhoff
Ansicht von Ronda, 2006
Alejandro Quincoces
Die Industrie ist weit weg, 2005
Isabel Quintanilla
Rom, 1998/99
Josep Roca-Sastre
Tisch und Mosaik, 1986
Josep Santilari
Junge Frau in Rückenansicht, 2000
Pere Santilari
Barcelona am Nachmittag, 2006
Julio Vaquero
Der gelbe Werkschrank, 1998

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