Fünf plus Eins - Reflexionen der Zeit
04.02.2006 bis 05.06.2006
»Fünf plus Eins«, das sind fünf Maler und Zeichner russischer (in einem Fall auch weißrussischer) Herkunft, die alle in den siebziger oder achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in den Westen (vorzugsweise nach Frankreich) emigriert sind, und eine Französin, die seit einigen Jahren mit einem der Maler künstlerisch zusammen arbeitet. »Fünf plus Eins«, das sind Boris Zaborov (geboren 1935), Yuri Kuper (geboren 1940), Victor Koulbak (geboren 1946), Michael Burdzelian (geboren gleichfalls 1946), Igor Bitman (geboren 1953) und Anso (Anne-Sophie Cavalier, geboren 1978), Mitarbeiterin, Muse und Modell von Igor Bitman.
Abgesehen von Boris Zaborov, der in Minsk aufgewachsen ist, und Anso, die aus Maisons-Laffitte nordwestlich von Paris stammt, kommen alle der beteiligten Künstler aus Moskau, wo sie in der Regel auch eine gründliche akademische Schulung erhalten haben. Gemeinsam ist ihnen jedoch nicht nur ihre Herkunft aus der Sowjetunion, eine solide Ausbildung und der oftmals dornenreiche Weg ins Exil. Sie alle leben entweder in Paris oder haben zumindest entscheidende Jahre ihres Wirkens in der Metropole an der Seine, diesem multikulturellen Schmelztiegel der Kunst, verbracht. Außer Yuri Kuper, der seit 1983 britischer Staatsbürger ist, haben sie inzwischen alle einen französischen Pass.
Das verbindende Element in der Ästhetik ihrer Bilder ist eine neue Synthese von malerisch-freier, semiabstrakter Flächenbehandlung und körperhaft-realer Gegenständlichkeit, von Farbe und Form, von Fläche und Raum. Die Objekte der Darstellung scheinen gleichsam visionär aus dem Farbgrund der Bilder präpariert, sind sinnlich transzendiert und in ihrem Wesen vergeistigt. Sein und Zeit überschreiten die Erfahrung, sie finden zu einer vollkommen neuen, bis dahin unentdeckten Dimension von Wirklichkeit, die dem Russisch-Amerikaner Joseph Brodsky nicht widerspricht, der in einem seiner Gedichte 1975 konstatierte: »Time is larger than space.«
Obwohl Yuri Kuper und Boris Zaborov längst zu den führenden Künstlern der Gegenwart gehören, Michael Burdzelian regelmäßig auch außerhalb von Frankreich ausstellt und Victor Koulbak wie Igor Bitman weithin einen ausgezeichneten Ruf genießen, sind sie bislang weder gemeinsam aufgetreten noch hierzulande überhaupt außerhalb der Fachwelt bekannt. Erstmals werden nun 85 Bilder dieser Künstler aus den letzten 20 bis 25 Jahren dem deutschen Publikum zusammen in einer Ausstellung präsentiert. Während Bitman, Burdzelian und Koulbak vorwiegend mit neueren und neuesten Arbeiten vertreten sind, stellen sich Kuper und Zaborov im Wesentlichen mit Werken aus den achtziger Jahren vor, die zudem auch recht großformatig sind. Den Hauptteil der Ausstellung bilden Malereien in Öl und Acryl. Von Bitman und Anso sind dazu auch Bilder in der seltenen, schon in der Antike gebrauchten Enkaustiktechnik und von Zaborov zwei bemalte Bronzeskulpturen zu sehen. Koulbak schließlich tritt als Zeichner hervor, der das subtile Medium des Silberstiftes absolut virtuos zu beherrschen weiß. Im begleitenden Katalog kommen nicht nur die Künstler selbst und ausgewiesene Kenner ihrer Werke zu Wort, sondern auch wesentliche Aspekte der Beziehungen russischer Künstler zu Paris.